Neuausrichtung der Schulkindbetreuung: Gemeinderat beschließt zukunftsweisendes Konzept
Der Gemeinderat von Linkenheim-Hochstetten traf am Donnerstagabend eine richtungsweisende Entscheidung zur künftigen Gestaltung der Schulkindbetreuung. Ab dem Schuljahr 2026/27 haben alle neu eingeschulten Kinder in Deutschland einen Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung an fünf Werktagen sowie eine Ferienbetreuung, welche maximal 4 Kalenderwochen unbetreut lassen darf. Um diesen Anspruch zu erfüllen und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähige Strukturen zu schaffen sowie die heutige Flexibilität zu wahren, hatte die Verwaltung im Vorfeld drei mögliche Modelle ausgearbeitet. Nach ausführlicher Beratung fiel die Entscheidung nun auf eine spezialisierte Profilierung der beiden Grundschulstandorte.
Künftig wird die Halbtagsbetreuung vorrangig an der Grundschule Hochstetten angeboten, während an der Grund- und Werkrealschule (GWRS) in Linkenheim die Ganztagesbetreuung so ausgebaut wird, dass der gesamte Bedarf in Linkenheim abgedeckt werden kann. Das bedeutet, die bestehende, wahlweise Ganztagesgrundschule in Linkenheim soll durch ein Hortangebot für die Halbtagsklassenzüge ergänzt werden. Dadurch kann die Gemeinde den Bedarf effizient decken, ohne Neubauten in Linkenheim zu errichten. Auch sinkt dadurch der Neubaubedarf für Hochstetten. Bürgermeister Michael Möslang (CDU) betonte, dass insbesondere die räumliche Situation in Hochstetten sowie die Kosten für die Hortbetreuung durch die AWO ausschlaggebend für diese Entscheidung waren. In Linkenheim hingegen sind vom Land Baden-Württemberg bezahlte Lehrkräfte in die Ganztagsbetreuung eingebunden, was eine kostengünstigere Umsetzung bei gleichzeitig mehr Betreuungspersonal in kleineren Gruppen ermöglicht.
Bereits im Herbst 2024 führte die Gemeinde eine umfangreiche Elternbefragung durch, an der sich 172 Familien beteiligten. Die Ergebnisse flossen maßgeblich in die Entscheidungsfindung ein. Rund 40 Prozent der Eltern gaben an, ihr Kind in der Ganztagsgrundschule betreuen lassen zu wollen, davon benötigen 38 Prozent zusätzlich Randzeitenbetreuung. Auch dieses Angebot, welches über den eigentlichen Rechtsanspruch hinausgeht, möchte die Gemeinde den Familien wie bisher anbieten. Von den Eltern, die eine klassische Grundschule bevorzugen, gaben hingegen nur rund fünf Prozent an, eine Ganztagsbetreuung zu benötigen. Die große Mehrheit (80 Prozent) favorisiert eine Betreuung bis 13 oder 14 Uhr, wobei 67 Prozent der Befragten eine Betreuung an fünf Tagen pro Woche wünschen.
Die Gemeinde rechnet damit, dass im Jahr 2030 etwa 580 Grundschulkinder den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung haben werden. Basierend auf den Umfrageergebnissen und unter Berücksichtigung von Zuzügen erwartet die Verwaltung, dass etwa 250 Kinder die Ganztagsgrundschule besuchen werden, während 330 Kinder sich für die klassische Halbtagsvariante entscheiden. Auch für die Halbtagsvariante soll weiterhin über den Rechtsanspruch hinaus sowohl in Linkenheim, als auch in Hochstetten ein Betreuungsangebot vor dem Schulunterricht und nach dem Unterricht bis 14 Uhr erfolgen.
Ein besonders kontrovers diskutierter Punkt war die Zukunft des Schülerhorts in Hochstetten. Dort besuchen derzeit 42 Kinder die Ganztagsbetreuung und 67 Kinder die Halbtagsbetreuung. Da die Gebäude in der Schulstraße 15 und 17 dringend sanierungsbedürftig sind, wären für eine Fortführung des Ganztagsbetriebs erhebliche Investitionen notwendig - entweder durch einen kompletten Neubau oder durch die Anmietung zusätzlicher Räume.
Daher beschloss der Gemeinderat, ab Oktober 2025 keine neuen Verträge für die Ganztagsbetreuung in Hochstetten mehr abzuschließen. Der bestehende Ganztagsbetrieb soll schrittweise bis 2029 auslaufen. Die Halbtagsbetreuung hingegen, mit und ohne Essensangebot, bleibt erhalten und soll, wenn möglich, weiterhin von der AWO betrieben werden. Sollte die AWO den Betrieb nicht fortführen, wird die Gemeinde das Betreuungsangebot selbst übernehmen. In diesem Fall sollen die bisherigen AWO-Mitarbeiter ein Übernahmeangebot erhalten, und es würden neue Stellen für Verwaltung und Betreuung geschaffen.
Um den Eltern größtmögliche Flexibilität zu ermöglichen, werden die innerörtlichen Schulbezirke zum Oktober 2025 aufgehoben oder in Abstimmung mit den Rektoren neu gestaltet. Dies bedeutet, dass Eltern freier wählen können, ob ihr Kind die Halbtagsgrundschule in Hochstetten oder die Ganztagsgrundschule in Linkenheim besuchen soll. Für den Fall, dass die Schulbezirke ganz aufgehoben werden erfolgt eine zentrale Anmeldung über die Gemeindeverwaltung, z.B. unter Berücksichtigung von Betreuungszeiten, Elternwünschen und dem sozialen Umfeld des jeweiligen Kinde
Die Entscheidungen stießen bei einigen Eltern in Hochstetten auf Widerstand. In der Bürgerfragestunde plädierten mehrere Anwesende für den Erhalt der Ganztagsbetreuung in Hochstetten. Die Verwaltung betonte jedoch, dass der Bedarf in Hochstetten nicht hoch genug sei, um ein eigenes Ganztagsangebot wirtschaftlich sinnvoll weiterzuführen. Auch bräuchte es Klarheit für die anstehende Sanierung und Erweiterung des Halbtageshortes, so der Bürgermeister.
Die Kostenfrage spielte eine zentrale Rolle in der Diskussion. Die Zuschüsse für die Schülerhortbetreuung in Hochstetten belaufen sich im Jahr 2025 bereits auf 296.742 Euro, während die Gesamtkosten für den Betrieb bei über 680.000 Euro liegen. In Linkenheim, wo die Ganztagesbetreuung in die schulische Infrastruktur integriert ist, fallen die Kosten pro Kind deutlich geringer aus. Zudem ist der Arbeitskräftemangel im pädagogischen Bereich ein wachsendes Problem: Viele Gemeinden kämpfen bereits jetzt damit, ausreichend Erzieher für ihre Einrichtungen zu finden. Umso wichtiger erscheint auch aus diesem Grund ein gewichteter Personaleinsatz.
An der GWRS Linkenheim kann die Ganztagsbetreuung laut Gemeindeverwaltung ohne größere Umbauten realisiert werden. Einzig für den Umbau einer ehemaligen Hausmeisterwohnung sind 200.000 Euro eingeplant, um zusätzlichen Raum für die Betreuung zu schaffen.
Losgelöst von der Neuorganisation der Schulkindbetreuung werden außerdem zahlreiche Unterhaltungsmaßnahmen an den Schulgebäuden umgesetzt. Diese betreffen sowohl die Grundschule Hochstetten als auch das Schulzentrum Linkenheim und sind unabhängig von der getroffenen Entscheidung.
Mit dem nun verabschiedeten Konzept verfolgt die Gemeinde Linkenheim-Hochstetten einen pragmatischen Ansatz, um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung zu erfüllen. Die Spezialisierung der Schulstandorte ermöglicht es, den Betreuungsbedarf der Familien abzudecken, ohne unnötig hohe Kosten zu verursachen. Gleichzeitig bleibt die gewohnt hohe Flexibilität für Eltern erhalten.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich das neue System in der Praxis bewährt. Klar ist jedoch bereits jetzt: Die Gemeinde hat mit ihrer Entscheidung eine richtungsweisende Weichenstellung für die Schulkindbetreuung vorgenommen, die sowohl pädagogische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Leider kann letzteres nicht einfach außer Acht gelassen werden. Der Bund hat den Rechtsanspruch für das verbindliche Betreuungsangebot im Grundschulalter zwar normiert, aber nicht finanziert. 67 € pro Kind pro Monat stehen (wohlwollend gerechnet) für die Erfüllung des neuen Rechtsanspruchs aus Bundesmitteln maximal zur Verfügung. In Hochstetten zahlt die Gemeinde schon heute 277,85 € pro Monat und Kind im Ganztagesbetrieb aus Steuermitteln zu den Elternbeiträgen und Zuschüssen hinzu.