Haushaltsrede 2026
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,
die Bertelsmann-Stiftung stellte im Juli fest: "Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist im vergangenen Jahr flächendeckend eingebrochen."
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung, sagt dazu: "Die Ergebnisse des Kommunalen Finanzreports 2025 bestätigen einmal mehr eine katastrophale kommunale Finanzlage. Wir erleben die größte Finanzkrise der Städte und Gemeinden seit dem Zweiten Weltkrieg."
Und Steffen Jäger, Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, wandte sich - erstmals überhaupt - direkt an die Bevölkerung: "Die Summe an staatlichen Leistungszusagen, Standards, Versprechen hat ein Maß erreicht, das mit den verfügbaren Ressourcen nicht mehr erfüllbar ist."
Meine Damen und Herren,
diese drei Aussagen hängen unmittelbar zusammen. Seit Jahren wachsen die Leistungsversprechen von Bund und Land - mit fast jedem neuen Gesetz. Solange die Steuereinnahmen im gleichen Tempo stiegen, ging das auf. Doch nun stagnieren oder sinken sie. Und plötzlich wiegen all die Versprechen doppelt schwer. Gleichzeitig fehlen uns die Fachkräfte, um sie überhaupt umzusetzen.
Uns Städten und Gemeinden fehlen Geld und Personal, um etwa den neuen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule zu erfüllen oder dringend benötigte Pflegeplätze zu schaffen.
Es geht vielerorts längst nicht mehr darum, ob wir neue Vorgaben erfüllen können - sondern darum, was wir streichen müssen. Fast alle Stadtkreise haben ihren Haushalt nicht oder nur unter Auflagen genehmigt bekommen. Karlsruhe etwa muss 80 Millionen Euro einsparen - mit 400 Maßnahmen. Auf der Streichliste: Geschwisterrabatte für Kindergartenkinder, Parkanlagen, ÖPNV, Schwimmbäder - fast alles, was Städte lebenswert macht.
Warum geht den Kommunen die Luft aus?
Weil die Einnahmen stagnieren, während die Sozialausgaben explodieren. Im Landkreis Karlsruhe sind sie in den letzten drei Jahren jeweils um rund 30 Millionen Euro gestiegen. Der Haushalt 2025 umfasst 719 Millionen Euro, davon über 380 Millionen allein für Soziales. Für 2026 rechnet der Kreis mit über 414 Millionen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Dabei hat der Landkreis kaum Spielraum. Die Sozialgesetzbücher schreibt der Bundestag. Wir Kommunen müssen zahlen - und umsetzen. Landrat Dr. Schnaudigel bringt es auf den Punkt: "Wir können das Geld gar nicht so schnell sparen, wie andere es für uns ausgeben."
Diese Ausgabenspirale trifft auch unseren Haushalt in Linkenheim-Hochstetten - über die Kreisumlage. Mit ihr finanziert der Landkreis einen Großteil seiner Aufgaben. Der Hebesatz stieg schon 2024 von 27,5 auf 32 Punkte. Das kostet uns 2025 fast 900.000 Euro zusätzlich. Wenn der Landkreis - wie geplant - auf 38,5 Punkte erhöht, bedeutet das für uns nochmals 1,5 Millionen Euro Mehrbelastung. Diese Zahl ist im Entwurf für 2026 bereits berücksichtigt.
Als Kreisrat und Bürgermeister sage ich klar: Ich werde mich gegen 38,5 Punkte stemmen.
Wichtig ist auch: Der Kostendruck entsteht nicht vor allem durch das Bürgergeld. Er kommt vor allem aus dem Bundesteilhabegesetz. Dort haben sich die monatlichen Leistungen für viele Betroffene verdoppelt. Oft sind das Menschen mit schweren Behinderungen - körperlich wie geistig. Doch von drei Euro, die ins System fließen, kommt nur einer beim Hilfeempfänger an. Zwei versickern in Bürokratie. Und es gibt keine Obergrenze. 30.000 bis 40.000 Euro pro Monat pro Person sind im Landkreis keine Ausnahme.
Hier muss der Bund handeln: mit einer Kostendeckelung und einer Vereinfachung des Hilfesystems.
Auch in anderen Bereichen zahlen wir drauf, weil Bund und Land ihre Pflichten nicht mehr erfüllen. Beispiel Sicherheit: Die Polizei ist chronisch unterbesetzt. Wir zahlen inzwischen über 50.000 Euro im Jahr für eine private Sicherheitsfirma - eine freiwillige Leistung, aber notwendig, weil für das gesamte Revier Waldstadt oft nur zwei Streifenwagen unterwegs sind.
Ein weiteres Beispiel: Kinderbetreuung. 2024 überwiesen wir 5,88 Millionen Euro an die Träger der Betreuungseinrichtungen. 95 Prozent davon sind Personalkosten. Das Land steuerte 2,5 Millionen Euro bei. Bleiben 3,3 Millionen Euro, die wir allein tragen - ohne echte Steuerungsmöglichkeit.
Darum prüfen die kommunalen Spitzenverbände nun eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg. Denn laut Landesverfassung muss das Land den Gemeinden finanzielle Mittel bereitstellen, wenn es ihnen neue Aufgaben überträgt (Art. 71 Abs. 3 LV). Zu oft wurde das ignoriert.
Zusammengefasst haben wir also eine massive Unwetterfront über den Kommunalfinanzen.
Doch es gibt auch gute Nachrichten.
Erste Ausläufer eines Hochdruckgebietes in Form von 100 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitonen machen sich bemerkbar. Seit dem Wochenende wissen wir: Ein Teil des Bundes-Sondervermögens fließt direkt an die Kommunen. Dieses Geld ist für Investitionen gedacht - es löst die strukturellen Probleme nicht, aber es hilft. Linkenheim-Hochstetten erhält daraus künftig rund eine Million Euro pro Jahr. Herzlichen Dank an Land und Bund! Kein anderes Bundesland leitet so viel an die Kommunen weiter wie Baden-Württemberg.
Und noch ein Vorteil: Diese Mittel kommen unbürokratisch. Denn meist sind Fördergelder mit Papierbergen verbunden. Unsere Sachbearbeiterin muss für eine Radwegsanierung eine 96-seitige Verordnung mit vier Anlagen durcharbeiten. Umso größer also der Dank nach Berlin und Stuttgart für diese einfache, echte Hilfe.
Wenn die Kreisumlage nicht dramatisch steigt bewegt sich dieser Haushalt somit auf dem Ausgleichsniveau des Vorjahres.
Wie verändert sich unser Haushalt?
Der Ergebnishaushalt steigt von 39,4 Millionen Euro im Jahr 2025 auf 42,1 Millionen Euro 2026 - ein neuer Rekord. Das ordentliche Ergebnis verschlechtert sich dabei um rund eine Million Euro - auf minus 3,4 Millionen Euro. Das zahlungswirksame Defizit beträgt 244.732 Euro. Ziel der Beratungen muss sein, diesen Betrag auszugleichen - das wird uns gelingen.
Auf der Einnahmenseite erwarten wir 2,4 Millionen Euro mehr - vor allem durch höhere Schlüsselzuweisungen (plus 1,4 Millionen) und mehr Einkommensteueranteil (plus 300.000 Euro). Die größte Belastung bleibt die Kreisumlage mit plus 1,5 Millionen. Zweitgrößter Posten: die Personalkosten. Sie steigen um 722.000 Euro - getrieben von der Tarifautomatik.
Unterm Strich fehlen 3,4 Millionen Euro zum Haushaltsausgleich.
Da der Gemeinderat im vergangenen Jahr einstimmig beschlossen hat, 3,5 Millionen Euro in die Netze BW zu investieren - fünf Jahre fest, gut vier Prozent Zinsen -, werden wir 2026 - voraussichtlich zum ersten mal Kredite aufnehmen. Das ist vertretbar: Die Anlagezinsen liegen über den zu erwartenden Kreditkosten und Grundstückserlöse aus dem Erschließungsgebiet Nußbaumhecken dürfen 2027 erwartet werden.
Unsere liquiden Mittel betragen 3,4 Millionen Euro im Oktober 2025. Die meisten anderen Gemeinden im Landkreis würden sich über eine solche Ausgangslage freuen.
In Baden-Württemberg erwirtschaften Gemeinden in der Größenklasse zwischen 10.000 und 20.000 Einwohner durchschnittlich 673 € pro Einwohner an Gewerbesteuer (ohne Gewerbesteuerumlage). In Linkenheim-Hochstetten sind es 205,50€/ Einwohner. Natürlich wirtschaften wir dreimal so gut wie alle anderen in unserer Größenklasse.
Doch klar ist: Auch ohne Bankschulden sind wir verschuldet - durch unterlassene Instandhaltung. Unsere Kanäle, Straßen und Gebäude warten seit Jahren auf Sanierung. Nicht aus Sparwille, sondern weil Personal fehlte. Der Fachkräftemangel bleibt der Flaschenhals im System.
Wir müssen uns strategisch aufstellen. Denn die Milliardenprogramme von Bund und Land werden vor allem über Förderungen laufen - Sportstättenmilliarde, Infrastrukturmilliarden und viele weitere. Bei Zuschüssen von über 50 Prozent wäre es fatal, wenn wir sie nicht abrufen könnten, nur weil das Ortsbauamt mit Verkehrssicherung, Löchern im Kanal und undichten Dächern ausgelastet ist.
An Projekten mangelt es nicht. Im Jahr 2025 haben wir bereits 2,58 Millionen Euro investiert: 560.000 Euro in Schulsanierungen, 220.000 Euro in marode Abwasserleitungen, 657.000 Euro in barrierefreie Bushaltestellen - alles Pflichtaufgaben.
Und auch der neue Haushalt setzt das Sanierungs- und Investitionsprogramm fort:
- Erschließung des Neubaugebiets: 5,6 Millionen Euro
- Drei neue Feuerwehrfahrzeuge bis 2029: 1,8 Millionen Euro
- Ersatzneubau Schülerhort Hochstetten: 2,35 Millionen Euro
- Neubau Alte Landstraße samt Radweg: 2,5 Millionen Euro
- Kindergartenneubau Virchowstraße: 5,05 Millionen Euro - mit vier neuen Gruppen und Außenbereich.
Noch offen ist die Kläranlagensanierung mit rund 20 Millionen Euro. Hier prüfen wir einen Zusammenschluss mit Nachbargemeinden.
Auch sind die über 7 Millionen Euro für nötige Kanalvergrößerungen noch nicht im Haushalt. Erst seit wenigen Wochen können wir das volle Ausmaß der zu erwartenden Kanalsanierungen und nötigen Kanal-Aufdimensionierungen benennen. Wir sehen nun amtlich, dass wir in einigen Straßenzügen dringenden Handlungsbedarf unter der Erde haben. Zusätzlich zu all den Maßnahmen, welche wir ohnehin angehen müssen und wollen.
Wenn wir diese Schuld nicht an die nächste Generation, drückend unter dem Zins des Klimawandels, weitergeben wollen, brauchen wir für den Tiefbau mehr Personal.
Auch dazu müssen wir in den kommenden Wochen zusammen beraten.
Schon jetzt wird klar: Die strukturelle Unterfinanzierung auf der einen Seite und Fördermilliardentöpfe auf der anderen Seite werden auch für Linkenheim-Hochstetten die Art wie wir Ausgaben priorisieren und Investitionen planen langfristig verändern.
Daher ist die heute eingebrachte mittelfristige Verteilung der Investitionsprojekte ein Projektblumenstrauß. Diesen kann der Gemeinderat im Rahmen der Haushaltszwänge kürzen, ergänzen oder neu kuratieren.
Meine Damen und Herren,
bis ein Haushaltsentwurf mit 400 Seiten steht, ist es ein weiter Weg: Begehungen in Kindergärten und Schulen, Analyse der Straßen- und Kanalbefahrungsdaten, Angebote einholen, Streichlisten obwohl über 80 % gesetzliche Pflichtaufgaben sind und Abstimmungen zwischen den Fachämtern zu möglichen Projektprozessen... all das verbirgt sich hinter diesen 400 Seiten. Deshalb ein aufrichtiger Dank an alle Amtsleiter, insbesondere unseren Rechnungsamtsleiter Herrn Schlenker und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Zahlen lagen pünktlich vor, die internen Beratungen waren sachlich, klar, konstruktiv. Dafür danke ich - als Bürgermeister und als Bürger dieser Gemeinde.
Dem Gemeinderat wünsche ich gutes Gelingen in den Beratungen. Wir haben viel Arbeit, viel zu diskutieren, manches zu priorisieren.
Vor uns liegt eine gut machbare Aufgabe. Aber auch eine Haushaltsberatung mit mehr unbekannten Größen als sonst.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Michael Möslang, Bürgermeister


Querschnitt der neu geplanten " Alte Landstraße" mit beidseitigem Rad-und Fußgängerweg

Machbarkeitsstudie Entwicklung Virchowstraße Ost

